Wenn ich mich noch an Rosenmontag/Faschingsdienstag vor der Pandemie erinnere, bin ich auch schon in Züge eingestiegen, in denen Überreste der Fastnachtsparty in den morgendlichen Zugverbindungen übriggeblieben sind. Herumliegende Dosen, ein halb gegessener Döner der einsam in der Ecke lag, Bierflaschen, der Alkoholgeruch in der Luft.
Oft wird auch laute Musik in Zügen gespielt und wenn man die Person darauf anspricht, wird das oft als Freiheitsberaubung interpretieret. Immerhin sei man in Deutschland. Da kommt auch wieder das sehr westliche oder europäische Merkmal des individual denkenden Bürgers hoch, für das wir so bekannt sind.
In Japan ist das ganz anders. Ich hatte oft das Gefühl, dass in den Zügen oder „S-Bahn“ oder „U-Bahnen“ Menschen erschöpft in sich zusammengesunken waren oder oft schliefen. Daraus lässt sich auch auf die Arbeitsmoral der japanischen Bevölkerung schließen. Das kann man in Tokio vermehrt beobachten, in anderen Gegenden wie Kyoto oder Osaka ist es nicht ganz so extrem. Die sogenannte Rushhour im Berufsverkehr verstärkt die Symptome der Bevölkerungsdichte noch mehr. Ich war mir nicht ganz sicher, wann es zum Berufsverkehr kommen würde, immerhin wusste ich nicht wann die Office Zeiten in Japan waren. In Deutschland ist das noch überschaubar morgens vor viertel vor sieben in die Stadt und etwa ab siebzehn Uhr staut es sich auf der Autobahn. Ich war nicht vorbereitet, hatte einen Koffer mit und musste in der Rush Hour einsteigen. Eine Stunde später fahren bringt da auch nichts, es ist immer noch so voll.
Die Tür ging auf und ich sah nur wie Menschen Rücken an Rücken, Nase an der Plexiglasscheibe dicht gedrängt in der U-Bahn in Businesskleidung standen. Ich hatte meine Freundin nach ihrem Jobinterview getroffen und bin von der nächsten Stadt angereist. Ich habe ihr mehrmals meine Sorge mitgeteilt, ich würde es nicht in die U-Bahn mehr schaffen, es sei zu eng. Wenn ich mich noch an die überfüllten Busse am Morgen auf dem Weg zur Hochschule erinnere, hatte ich schon keinen Bock und habe den nächsten Bus genommen. Das war in Japan ganz anders. Mir blieb nichts anderes übrig als mich diesem Verkehrschaos auszusetzen und einzusteigen. Ich litt zum Glück nicht an Platzangst, das würde das Reisen definitiv erschweren.
Also nahm meine Freundin meinen Koffer auf mein ständiges Lamentieren und stieg mit mir in die U-Bahn. Es funktionierte irgendwie. Die Leute ließen sich noch mehr drängen und alle hielten es einfach irgendwie aus. Ich erinnere mich noch an den Mann, der mit geschlossenen Augen seinen Schuhkarton festhielt und ich dachte mir, dass ich es auch nur überstehen wollte.
Kommen wir zu dem Japan Knigge im öffentlichen Verkehr:
- Alkohol, Essen und Trinken ist an Bahnhofsgleisen sowie in U-Bahnen nicht gestattet. Das gilt für den Nahverkehr, für den Shinkansen (Schnellzug) sieht das anders aus.
- Lautes Telefonieren wird als unfreundlich und störend empfunden.
- Es wird einigermaßen erwartet (nicht nur im Zug), dass man sich für kleine ungewollte Berührungen bei seinem Gegenüber entschuldigt. Eine Verbeugung im Zusammenhang mit einem „Sumimasen“ ist dafür ausreichend (steht nirgendwo in einem Ratgeber, aber man merkt es, wenn man dann in Japan ist). Diese Geste geht dann schon eher in Richtung Sympathie Punkte sammeln und sich anpassen.
- Lautes Lachen und laute Unterhaltungen, die den Nachbarn stören sind auch nicht gerne gesehen.
- Rauchen ist in Zügen nicht gestattet.
- Sich für das Einsteigen anstellen in Reih und Glied. Vordrängeln ist sehr unfreundlich und nicht gerne gesehen.
- Sogenannte „Priority seats“ für Alte Menschen, Behinderte und Schwangere Frauen dürfen nicht belegt werden, es spielt dabei keine Rolle wie voll der Zug ist. Manche Länder erheben dafür auch Geldbußen.
- An Rolltreppen rechts stehen, damit Leute links vorbei gehen können. Das ist eine unausgesprochene Regel, aber man sieht, dass sie konsequent durchgeführt wird. In Kyoto zum Beispiel stehen Menschen links, was mich auch etwas aus dem Konzept geworfen hat.🙉
Wenn man so überlegt, dann sind das sehr strenge Regeln und vielleicht fühlt man sich auch etwas in seiner „Freiheit eingeschränkt“. Aber auf der anderen Seite, habe ich oft gemerkt, dass die japanische Bevölkerung auch sehr geduldig ist, wenn man etwas falsch macht als „Ausländer“ oder viele Dinge nicht weiß.
Das sind Regeln, die das Zusammenleben der
japanischen Bevölkerung erleichtern und darstellen. Es wird viel Rücksicht auf
das Gegenüber genommen. Das war für mich auch das Hauptmerkmal in Japan und es
wurde auch freudig aufgenommen, wenn ich versucht habe, mich an die Sitten
anzupassen und „mitzumachen“.
Damit ist es mir gelungen nicht mehr Tourist
zu sein, sondern zu reisen und eine gemeinsame Kommunikationsebene ohne viele
Worte zu schaffen.🙇